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Haushaltsrede 2023 von Michael Ohse
Herr Ratsvorsitzender, Frau Oberbürgermeisterin, werte Anwesende,
Die Finanzsituation des städtischen Haushalts in 2022 war deutlich besser, als der Rat vor 9 Monaten mit Mehrheit beschlossen hatte. Das lag vor allem an deutlich gestiegenen Gewerbesteuereinnahmen, so dass jetzt wahrscheinlich ein ausgeglichenes Ergebnis 2022 zu erwarten ist. Der Haushaltsantrag für 2023 plus mittelfristige Ergebnis- und Investitionsplanung weist hohe Millionen Defizite (besonders in 2023) aus.
Insgesamt schieben wir in der Stadt Goslar trotz starker öffentlicher Investitionstätigkeit in den letzten 10 Jahren immer noch einen Stau dringender Investitionen für Pflichtaufgaben vor uns her, was insbesondere An- und Umbauten an Schulen (wie GS Oker) und Kindertagesstätten, an Ausstattung der Grundschulen mit Mensen und den Neubau des Betriebshofes betrifft und mittlere zweistellige Millionenbeträge kosten wird. Teils sind diese Investitionen noch gar nicht im mittelfristigen Investitionsprogramm eingepreist.
Wir haben deshalb im letzten Jahr einige Vorhaben abgelehnt. Hervorheben möchte ich hier die für uns unnötig hohe Ausgabenplanung für den Kreisel am Breiten Tor und die Stadthalle oder Mehrzweckhalle im Kaiserpfalzquartier, die deutlich zu klein und zu teuer werden wird - und es bestehen zu viele ungeklärte Fragen wie das Verkehrskonzept. Zu klein, weil unter 500 Sitzplätze und zu wenig Parkplätze, wobei schon öffentliche Toiletten und Konferenzräume gestrichen werden mussten – und zu teuer, weil mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit städtische Gelder von 20-25 Millionen Euro oder sogar mehr (ohne die Zuschüsse der Tessner-Stiftung) für Halle, Verkehrskonzept und Betriebskosten verwendet werden müssen. Deshalb halten wir eine Veranstaltungshalle am Standort Kaiserpfalz weder für finanzierbar noch sinnvoll umsetzbar. Mit deutlich weniger Mitteln wäre eine Sanierung des ODEON-Theaters oder eine Funktionsaula im neuen Schulzentrum Goldene Aue zu haben gewesen, wenn denn der Wille da gewesen wäre.
Übrigens: Auch diejenigen, die trotz alledem am teuren Bau der Veranstaltungshalle festhalten, merken, dass kommunale Finanzen endlich sind und streichen jetzt schon Wahlversprechen zusammen mit der Aufhebung des Beschlusses, dass Kultur- und Bildungszentrum Jürgenohl zu bauen und versehen das Mini-funktionsfeld am Spielplatz Lindenplan mit Sperrvermerk im HH.
Gut, dass das Rathaus und der Kulturmarktplatz noch im Jubiläumsjahr eröffnet werden konnten. Insbesondere der Kulturmarktplatz ist aber leider immer noch nur die organisatorische Vereinigung von Museum, Stadtbücherei und Archiv. Im städtischen Leben ist diese Einrichtung noch nicht angekommen, möchte ich behaupten. Es bedarf einer Öffnung für alle gesellschaftlichen Gruppen, die nicht zu erreichen ist,
- wenn Führungen mit Getränk und Schnittchen für 8 Euro angeboten werden,
- wenn die Räumlichkeiten im November und Dezember nicht mehr vermietet werden, weil die Hausmeister hohe Überstunden vor sich her schieben,
- wenn selbst die Stadtführergilde Nutzungsgebühren von mehreren hundert Euro zahlen soll – gerüchteweise 400 ???
- wenn für einen Cappucino 3,60 Euro hingelegt werden sollen, liegt das dann an zu hoher Pacht oder an einem elitären Konzept?
- wenn zwischen Weihnachten und Neujahr gar ganz geschlossen wird, wo Menschen vielleicht mal Besuch und Zeit haben und der Landkreis am Tag nach Weihnachten seinen „Rückkehrer-Tag anpreist.
Insbesondere durch Öffnung und Nutzung des Hofes können unseres Erachtens auch Verbesserungen erzielt werden, damit diese 12 Millionen Euro Investition ein Gewinn für wirklich viele Menschen in Goslar, langjährig hier Wohnende und auch Zugezogene, für Vereine, Verbände und Kulturschaffende wird. Soweit zum Thema Investitionen.
Im eigentlichen Haushalt der Stadt Goslar fehlt uns deutlich das soziale Gesicht.
Wir haben in den diesjährigen Haushaltsberatungen selbstverständlich auch wieder die Gebührenfreiheit aller Bildungseinrichtungen angesprochen und wollten mit einer Senkung der Elternbeiträge für Krippen und Horte um 25 % einen ersten Schritt dorthin machen. Leider wieder vergeblich.
Damit hätte Goslar eine Vorreiterrolle einnehmen können für eine kinder- und familienfreundliche Stadt in Niedersachsen. Langfristig müssten Bund und Land alle Kindertagesstätten aus Steuermitteln finanzieren – wie Bildung in Schulen und Universitäten auch.
Was uns aber insbesondere an sozialer Kälte aus Rat und Verwaltung aufstößt, sind in diesem Jahr zwei andere Themen.
Vor etwa einem halben Jahr ist unser Antrag auf Einführung eines Sozialtickets vom Rat mit den Stimmen von SPD, CDU, FDP und AfD abgelehnt worden. In Zeiten, wo es ein deutschlandweites 9 Euro Ticket wenn auch nur für 3 Monate gab, war eine große Mehrheit in diesem Hause nicht bereit, für wirtschaftlich Schwächere ein Monatsticket für 15-25 Euro einzuführen, was jetzt 70 oder vielleicht bald 49 Euro kostet. Salzgitter, Wolfenbüttel, Braunschweig und Wolfsburg machen das längst. Und das Sozialticket hätte die soziale und kulturelle Teilhabe für diese Menschen deutlich verbessert. Es wurde unserer Fraktion auch beim Besuch der Tafel in Oker im August berichtet, wie wichtig das 9 Euro Monatsticket für die Menschen selbst für einen Tafelbesuch ist, damit sie nicht hetzen müssen, um ohne zweite Fahrkarte zurückzukommen. Ist das menschenwürdig?
Seit August liegt jetzt unser Antrag zur Einrichtung eines Härtefallfonds gegen Energiearmut in der Stadt Goslar vor. In Gesprächen mit Harzenergie und anderen Energieversorgern sowie unter Nutzung von Zuschüssen des Landes Niedersachsen sollte die Einrichtung eines solchen Fonds geprüft werden. Das steht unter TOP 33 noch heute auf der Tagesordnung. Allerdings hat die Verwaltung seit August nichts gemacht, bevor sie mit einer lapidaren Mitteilung auf die Zuständigkeit des Landkreises als Sozialbehörde hingewiesen hat. Im nicht öffentlichen Verwaltungsausschuss am letzten Dienstag hat auch die Politik abgelehnt, Verantwortung zu übernehmen. Anscheinend wurde nicht einmal versucht, in Gesprächen mit Harzenergie den Verzicht auf Strom- und Gassperren in dieser Zeit abzusichern und längere Ratenzahlungsfristen oder Stundungen. Oder mit dem Landkreis in Gesprächen gemeinsame Lösungen zu finden.
Uns stellt sich deshalb schon die Frage, wie ernst es Rat und Verwaltung in der Stadt Goslar mit den Ängsten und Sorgen von nicht wenigen Menschen hier in Goslar nehmen.
Hilfestellung für Wirtschaftstreibende und Erwerbstätige muss in Krisensituationen von Bund und Land geleistet werden durch Zuschüsse und Kurzarbeitergeld, aber Unterstützung gegen Wohnungsnot und Energiearmut und Sicherstellung des Erhalts der sozialen und kulturellen Infrastruktur von Vereinen und Verbänden ist nach Auffassung der LINKEN vorrangige Sache der kommunalen Selbstverwaltung auch bei defizitären Haushalten.
Immerhin haben sich Politik und Verwaltung vorgenommen, die Verteilung der Sportförderzuschüsse im ersten Halbjahr 2023 zu überarbeiten und zu erhöhen und dieses rückwirkend zum 1.1.2023 in Kraft zu setzen.
Wir haben in diesem Jahr wegen der aktuellen Situation und durchaus drohender Rezession darauf verzichtet, einen Antrag auf Erhöhung der Gewerbesteuer zu stellen: Trotz hoher Gewerbesteuereinnahmen ist es eine Tatsache, dass Goslar in der Region mit einem Hebesatz von nur 420% stark zurückgefallen ist. Die letzte Erhöhung bezogen auf Alt-Goslar war vor 10 Jahren mit knapp 7,7% und hat in diesen Jahren mehr als 20 Millionen Mehreinnahmen gebracht und nicht unwesentlich neben der Entschuldungshilfe zur verbesserten Haushaltssituation beigetragen.
Unsere Fraktion stimmt dem Stellenplan zu und lehnt Ergebnishaushalt und Investitionsprogramm wegen falscher Weichenstellungen ab.
(Rückweisung FDP Rehse Vergleich letzte Generation/Reichsbürger)
(Kurze, freundliche Empfehlung an OBin Urte Schwerdtner zum Thema Reichsbürger)
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- Stadtgespräch Dezember 2022 PDF-Datei (8 MB)