"Taurus: Frieden lässt sich nicht herbeibomben!" von Janine Wissler

Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg von Russland auf die Ukraine jährt sich zum zweiten Mal.

Seit über zwei Jahren leiden und sterben Menschen in der Ukraine. Der russische Angriffskrieg ist ein Verbrechen. Die Bombardierung ukrainischer Städte und Infrastruktur muss beendet werden. Russische Truppen haben in der Ukraine nichts zu suchen. Unsere Solidarität gilt den Menschen im Kriegsgebiet und den Millionen auf der Flucht.

Die wichtigste Frage ist: Wie kann das Sterben gestoppt werden, und wie kann dieser furchtbare Krieg so schnell wie möglich beendet werden? Nach zwei Jahren sehen wir doch: Die Lieferung von immer mehr und immer schwereren Waffen hat eben nicht zu einer Beendigung des Krieges geführt. Wir erleben einen festgefahrenen und zermürbenden Abnutzungskrieg mit immer mehr Toten, immer größerer Zerstörung und mit einer enormen Eskalationsgefahr für den gesamten Kontinent und darüber hinaus.

Ich bin schockiert, mit welcher Leichtfertigkeit einige Abgeordnete nach Taurus und nach immer weitreichenderen Waffen rufen, meine Damen und Herren.

Warum diskutieren wir hier eigentlich nie, wie Deutschland sein Versprechen endlich einlösen kann, russischen Deserteuren und Kriegsverweigerern, die sich weigern, für Putin in den Krieg zu ziehen, Schutz und Asyl zu bieten? Das wäre ein echter Beitrag für den Frieden.

Die FDP, habe ich gesehen, plakatiert Marie-Agnes Strack-Zimmermann für die Europawahl jetzt als „Oma Courage“. Nur mal zur Erinnerung: Im Bertolt-Brecht-Stück ist die Mutter Courage eine Geschäftsfrau, die mit dem Krieg Geld verdient, die nicht will, dass er endet, und die alle ihre Kinder im Krieg verliert.

„Ich lass mir den Krieg von euch nicht madig machen“, sagt Mutter Courage. Frage: Was will uns die FDP mit diesem Plakat sagen? Dass Frau Strack-Zimmermann eine Rüstungslobbyistin ist? Oder was genau wollen Sie damit aussagen?

Herr Bundeskanzler, ich bin selten mit Ihnen einer Meinung. Aber bei der Ablehnung, die Taurus-Marschflugkörper zu liefern, haben Sie uns als Linke auf Ihrer Seite – im Gegensatz zu vielen Abgeordneten von Grünen und FDP. Die Mehrheit der Bevölkerung lehnt es ab, Raketen zu liefern, die eine Reichweite bis Moskau haben.

Aber ich sage auch, Herr Bundeskanzler: Bleiben Sie diesmal standhaft! Denn wir erinnern uns: Bei den Leopard-Kampfpanzern und bei anderen Waffensystemen haben Sie auch erst Nein gesagt, um dann doch zu liefern. Wir sagen: Eine deutsche Kriegsbeteiligung, die Beteiligung deutscher Soldaten muss verhindert werden. Es geht um nicht weniger als die Gefahr eines neuen Weltkrieges.

Mir läuft es kalt den Rücken runter, wenn der französische Präsident Macron über den Einsatz von NATO-Truppen in der Ukraine fabuliert.

Das Eintreten für Verhandlungen ist keine Parteinahme für Putin. Auch dieser Krieg wird am Verhandlungstisch beendet werden. Die Frage ist, wie lange es dauert und wie viele Menschen bis dahin sterben. Wir brauchen eine diplomatische Offensive. Um es mit den Worten von Heribert Prantl zu sagen: Es ist immer noch realistischer, Verhandlungsbereitschaft herbeizuverhandeln, als den Frieden herbeizubomben.

Sicherheit in Europa und in der Welt erreichen wir nicht durch Kriegstüchtigkeit, durch EU-Atombomben und ein neues Wettrüsten. Langfristige Sicherheit gibt es nur durch dauerhafte Friedenssicherung und den Wiedereinstieg in Abrüstungsverhandlungen.